Und die Zukunft? Ungewiss. Und verschachtelt, wie das intelligente Bühnenbild von Vincent Mesnaritsch als wild übereinander gestapelte Landschaft aus Kartonagen. Die auf jedem Quadratzentimeter nach Aufbruch schreit. Und dabei klotzig genug ist, um den drei Frauenfiguren die Perspektive zu verstellen, während sie sich selbst und ihren Gefühlen im Weg stehen.
…Dafür stellen die Schauspielerinnen mit phasenweise ungemein starker Präsenz immer wieder den Kontakt zur Gefühlslage ihrer Figuren her. Um damit nicht nur sich selbst besser greifbar zu machen, sondern auch dem Publikum über Emotion Zugang zu verschaffen. Am besten gelingt das Katrin Huke als Clara, die genau zwischen den Stühlen von Großmutter und Enkelin sitzt. Ihre Zerrissenheit wirkt im Spektrum von Sarkasmus, Trauer, Angst, Resignation und verzweifelter Liebe zum Kind und der Wut auf die eigene Mutter nie aufgesetzt. Sabine Martin als Lin hat immer dann starke Momente, wenn Niedergeschlagenheit und Angst sie fortreißen. …Pauline Werner in der Rolle der Enkelin Rahel hält die Balance zwischen freudiger Erwartung im Aufbruch und einer großen, fragenden Naivität. Sie ist damit vielleicht die echteste der drei Figuren, die einem tragischen Finale zusteuern…
Erich Nyffenegger, Nachtkritik, 12.12.2021
Aber über allen Disputen liegt das Schweigen, Lin spricht nicht über ihre Holocausterfahrungen und was sie dazu gebracht hat, Kommunistin zu werden. Von Claras Geschichte ist nichts als die Auflehnung gegen ihre Mutter zu erfahren. Allein bei Rahel werden in ihren Handlungen die Motivationen deutlich: diesem Schweigen, das auch der deutschen Geschichte geschuldet ist, zu entrinnen.
…Aber bedeutet dieses Schweigen, das jederzeit explodieren kann, nur in einem Zwischenzustand zu leben – in einem Provisorium von lauter Umzugskartons, um schnell die Flucht ergreifen zu können? Das Bühnenbild von Vincent Mesnaritsch für die Inszenierung am Theater Konstanz legt das jedenfalls nahe…
…Aber hier ist nichts vergangen. Was hier verhandelt wird, ist pure Gegenwart. Und die ist ätzend! In seiner Inszenierung rückt Abdullah Kenan Karaca … das „Zwischen“ ins Zentrum.
Manfred Jahnke, Die deutsche Bühne Online, 12.12.2021
In der Regie von Abdullah Kenan Karaca wird „Muttersprache Mameloschn“ in Konstanz ein intensiver, ernster Abend.
…Stark das Bühnenbild von Vincent Mesnaritsch… das Leben ein Provisorium, diese Kisten wurden ein Leben lang nicht ausgepackt, vielleicht mehrere Leben lang. Ein bedrückend starkes Bild.
Julia Nehmiz, St.Galler Tagblatt, 13.12.21
…dass Salzmann einen zu großen Bogen schlägt … das ist Stoff für gleich mehrere Stücke. Und dennoch fällt die Konstanzer Inszenierung nicht auseinander, die zwischen Lachen und Weinen changiert… Was an der unaufdringlichen Regie von Karaca liegen mag, die dem Abend Struktur gibt. Und an den Frauen auf der Bühne, die mit ihrem authentischen Spiel dem Publikum ans Herz gehen…
Siegmund Kopitzki, Südkurier, 14.12.2021
So kompliziert sich die Aufgabe für Regisseur Abdullah Kenan Karaca auch anhören mag, in der Konsequenzen seiner Inszenierung gelingt es erstaunlich gut, die verschiedenen Erzähl- und Zeitperspektiven des Textes mit Leben zu füllen.
Erich Nyffenegger, Schwäbische Zeitung, 14.12.2021