Unter der Regie von Christina Rast (Bühne Franziska Rast, Kostüme Sarah Borchardt) fühlte man sich zum bitterbösen Finale gar an das britische Comedy-Konsortium "Monty Python" erinnert, mit doch recht scharfen Kommentaren über die Krankheit als Geschäftsmodell, was dem Stück eine ganze besondere Würze im Finale gab.
…Und damit ist das Stück zur absolut treffenden Persiflage des Gesundheitswahns geworden und ganz in der Gegenwart gelandet. Ein Meisterstück in der Zielgeraden und eben ein "look on the bright side of life", der schon in manchem Seitenhieb angedeutet wird.
Oliver Fiedler, Singener Wochenblatt, 17.6.23
Nun ist die Vorstellung, einem Hypochonder beim Jammern über Probleme in seinem Verdauungstrakt zuzuhören, nicht gerade eine schöne und dennoch ist Christina Rasts openair Inszenierung von Molières Der eingebildet Kranke auf dem Konstanzer Münsterplatz eine wahre Wonne!
…Dem bleichgesichtigen Mann, hervorragend gelitten von Jasper Diedrichsen, stehen sprichwörtlich die Haare zu Berge.
…Der Arzt Diafoirus ist ein Quacksalber wie er im Buche steht. Thomas Fritz Jung verleiht ihm mit dem selbstgefälligen Lachen und einem widerlich-genussvollen Schniefen, dem ein kräftiger Wisch mit der Hand unter der Nase folgt, einen Charme, der jedem halbwegs vernünftigen Menschen von einer Behandlung abraten würde.
…Christina Rast stellt Diafoirus mit dem Quacksalber-Chor noch eine kleines Ärzt:innen-Team zur Seite. Mit motivierten Beats und launigen Texten von Doris Happl und Patrik Zeller verbreitet sie «Angst! Vor den Pocken, Warzen, Herpes, Streptokokken», um sogleich das nötige «wahre Mittelchen», die «Pulver, Tropfen, Kügelchen» anzupreisen – dafür oder dagegen, suchen Sie es sich aus!
.. Jasper Diedrichsen geht voll auf in seiner Rolle. Er verzieht das Gesicht, als hätte er in fünf Zitronen gleichzeitig gebissen, bei einer neuen Schockdiagnose stösst er spitze Schreie aus und wenn mal wieder keiner auf ihn hört, springt er herum wie Rumpelstilzchen. Dabei verkörpert er Argans Leid in einem Variantenreichtum, dass dem Publikum kein Zipperlein entgeht.
…Die Lacher im Publikum sind Giovanetti mit ihrer hinreissend albernen Art sicher. Gekonnt setzt sie immer nochmal einen drauf!
…Auch wenn das Stück deutlich zwischen grösseren und kleineren Rollen unterscheidet, sei ausdrücklich betont, dass das gesamte Ensemble eine tolle Leistung abgeliefert hat.
…Ein weiteres Highlight sind die Kostüme von Sarah Borchardt…
Franziska Spanner, Saiten, 19.6.2023
Regisseurin Christina Rast erzählt das als einen grellen Bühnencomic…
…Wir sehen einen solchen Typus etwa im Vater des auserwählten Schwiegersohns, Doktor Diaforius (Thomas Fritz Jung). Als Medizinpunk mit Elton-John-Brille rammt er dem Patienten mal eben eine goldene Klistierspritze in den Allerwertesten. Doch als es um die Launen der jungen Leute geht, kommt hinter der lässigen Popstar-Attitüde ein verbitterter alter Mann zum Vorschein, der über „Geschlechterkonstruktionen und sonstige Experimente unserer heutigen Zeit“ wettert.
…Maelle Giovanetti schwingt sich mit ihrem lakonischen Spiel zur eigentlichen Hauptdarstellerin des Abends auf.
Johannes Bruggaier, Südkurier, 19.6.2023
Franziska Rast hat ein zweistöckiges, überdimensionales Krankenbett als zentrales Bühnenelement vor das Münster gestellt. Unten spielt eine vierköpfige Bläser-Formation das Klagelied des eingebildet Kranken und spaziert dabei versiert durch Jazz, Polka und Marsch. Bisweilen schwillt die musikalische Operation um die Stimmen eines Quacksalber-Chors an. Diagnose: exzellente Geräusche!
…Besonderen Anteil daran, dass dieses sehenswerte Bühnenspektakel nicht aus der Balance gerät, hat die großartige Maëlle Giovanetti in ihrer Rolle als Dienstmädchen Toinette. Denn ihr Talent für Komik beschränkt sich nicht aufs Grimassieren – sie bringt vielmehr durch präzises Spiel eine lapidare und trockene Komponente in ihre Figur… …Jasper Diedrichsen als Argan versteht sich aufs wehleidige Fach – zittert, winselt und fleht sich bewundernswert durchs selbst angerichtete Elend. Anne Rohde vermag als Argans zweite Frau ihre schrille Boshaftigkeit genüsslich auszuleben. Lea Reihl karikiert eine zunächst hoffnungslos erscheinende Liebe mit Cléante, der herzerweichend von Miguel Jachmann gespielt wird. Den Gipfel der quacksalberhaften Überzeichnung erklimmt Thomas Fritz Jung als Doktor Diaforius…
…Die Inszenierung glänzt über weite Strecken als fröhliche Operation am offenen Lachmuskel.
Erich Nyffenegger, Schwäbische Zeitung, 20.6.2023
Es kracht und pfeift dem armen Argan im Gedärm: Kein Wunder hat die Tuba einen grossen Abend und ein paar krampflösende Soli. Michal Maciuszek und die vierköpfige Bazillenband – von Kostümbildnerin Sarah Borchardt in stachelige Anzüge gesteckt, die noch ein wenig an das gefürchtete Coronavirus erinnern – heizen dem Hypochonder und dem putzmunteren Publikum ein.
…Ein bisschen bleibt uns das Lachen darüber noch im Halse stecken, also ist der Zeitpunkt genau richtig für das zeitlos witzige Stück.
…In neon-barockem, punkig überzeichnetem Gewand gelingt es Rast & Rast, Molières unkaputtbare Komödie wohldosiert mit Zeitgeist aufzufrischen.
…In den Hauptrollen sorgen Jasper Diedrichsen als Argan und Maëlle Giovanetti als Dienstmädchen Toinette für viel Gelächter…
…So muss Sommertheater sein: spritzig, leicht und frech.
Bettina Kugler, St.Galler Tagblatt/ Thurgauer Zeitung, 20.6.23