Susanne Schmelchers Inszenierung haucht der pointierten, manchmal auch sperrigen, durchkomponierten Abrechnung mit der Mode und dem, was wir damit verbinden, Leben ein. Dabei entsteht ein in sich stimmiges Gesamtkunstwerk, das mehr und mehr den Charakter einer lebendigen, wilden Installation gewinnt.
…Die Darsteller:innen Hanna Eichel, Maëlle Giovanetti und Dominik Puhl gewähren uns gezielte Einblicke in Schaufenster, Schönheitskliniken und Kleiderschränke. Alles muss schnell gehen. Die Innenräume des Mittelteils werden in Windeseile umgebaut, umdekoriert und neu bestückt, die Spieler:innen wechseln ihre Kostüme so oft, wie man es laut Jelinek besser nicht machen sollte. Zu Techno-Beats präsentieren sie sich im unförmigen, untragbaren «Laufsteg-Look», in der Jacke als Hose oder im Pappkarton, und werfen sich in überzeichnete Posen. Live gefilmte und auf das Drehteil projizierte Handkamera-Aufnahmen (Marie Luise Schönfeld) verleihen der Szenerie den surrealen Touch eines Panoptikums.
… Die Erkenntnis, dass Kleidung keinen anderen Menschen aus einem macht, mag bitter sein, aber sie ist nötig, um uns so annehmen zu können, wie wir sind. Mit grosser Wandelbarkeit führt das Ensemble an diesen Kern des Jelinek’schen Texts heran und stellt immer wieder die Frage nach der eigenen Identität: Wenn uns Mode nicht zu besseren Menschen macht, was ist es dann?
Franziska Spanner, Kulturmagazin Saiten St.Gallen, 24.1.2022
In Konstanz dagegen, wo Susanne Schmelcher Regie führt, ist nach wenigen Minuten klar: Dieser Abend will Theater werden!
…Hanna Eichel, Maëlle Giovanetti und Dominik Puhl tun, was ihr Beruf ist, Kostüme wechseln, Posen ausprobieren, Rollen spielen. Doch statt einer Requisitenkammer kämpfen sie sich dabei durch ein ganzes Karussell von Umkleidekabinen (Bühne: Marion Hauer).
…Indem das Trio aus Jelineks Material Dialoge, Slapsticks und Pointen kreiert, bringt es die Sprache zum Leuchten. Vermeintlich beiläufige Sätze … schlagen ein wie Blitze.
Johannes Bruggaier, Südkurier, 24.1.2022
In Konstanz lässt Regisseurin Susanne Schmelcher zwei Schauspielerinnen und einen Schauspieler einen Totentanz aufführen.
…Die drei zelebrieren in eindreiviertel Stunden die Dekonstruktion des Modezirkus‘, erkenntnisreich und unterhaltsam. Sie karikieren Catwalks, machen sich über das modemuffelige Publikum lustig („das wird mit Jeans und Pulli nicht funktionieren“), schlüpfen in Dutzende Kostüme und Perücken, zitieren Kant und Heidegger, kämpfen um Handtaschen, suchen nach dem passenden rock und meinen den Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, ja des Ichs überhaupt.
…Susanne Schmelcher lässt die drei diesen Totentanz immer wilder und irrer drehen, bis nichts mehr bleibt als Zerfall, Tod , das Ende. Das Karussell ist ausgeräumt und abgeräumt. Dass nackte Metallgerippe dreht sich im fahlen Licht gegen den Uhrzeigersinn – die Zeit lässt sich nicht aufhalten.
Julia Nehmiz, St. Galler Tagblatt, 24.1.2022
…das beweist auch Susanne Schmelcher mit einer Inszenierung, die nicht mit Assoziationshilfen arbeitet, sondern mit einem lebendigen Agieren ihres Trios, das die Sätze unaufgesetzt hinausschleudert und die Manieriertheit umgeht, die in jedem Absatz lauert.
…Weil Hanna Eichel, Maëlle Giovanetti und Dominik Puhl immer wieder spontan aus ihren Aufsager- und Einsagerrollen aussteigen und als Menschen aus Fleisch und Blut vor uns stehen und somit auch das Spiel selbst thematisieren.
…Die Conclueso ist somit nicht neu, der Weg dorthin ist aber ein spannender, farbenreicher Theaterabend.
Christa Dietrich, Vorarlberger Nachrichten, 27.1.2022